Ein ständiges Auf und Ab: Krankenhaus, Erfolgserlebnisse, neue Entdeckungen – es ist wieder viel passiert.
Kleine große Sorgen
Die ersten Wochen hier in Schweden liegen hinter uns und es ist unglaublich passiert, wir haben sehr viele nette Menschen kennengelernt und versucht, uns als Familie hier einzurichten. Dabei war leider eine Sache, die unsere ganze Kraft und Fürsorge gebraucht hat, Dorles Erkältung mit sehr schlimmem Husten. Sie war schon längere Zeit nicht so ganz fit. Hier hatte sie dann Pseudokrupp, was die Nächte sehr schlimm gemacht hat. Die Hustenanfälle waren so extrem, dass sie sich oft übergeben hat und Atemprobleme hatte. Zum Glück konnten wir hier zum Arzt. Es wurde etwas besser, aber die Hustenanfälle hielten an und die arme Maus hat sich ganz schön gequält. Ich bin dann wieder mit ihr zum Arzt gegangen, in die „Gesundheitszentrale“ hier in Tranemo. Dort gibt es viele Krankenschwestern, die mehr Befugnisse haben als in Deutschland und die die ersten Ansprechpartner sind. Die Bündelung in einem Haus hat definitiv Vorteile, zum Beispiel waren innerhalb von einer Viertelstunde die Ergebnisse der Entzündungswerte der Blutuntersuchung da.
Da Dorles Sauerstoffsättigung nicht gut war, schickten sie uns ins Krankenhaus nach Borås (die nächste größere Stadt) in die Kindernotaufnahme. Dort kamen wir auch sofort dran und Dorle wurde sehr gründlich untersucht. Die Kinderärztin kam mit einem Konferenztelefon herein und hatte eine Übersetzerin an der anderen Leitung – wow. Ich musste etwas schmunzeln, weil ich eigentlich nur Hilfe beim Übersetzen dessen brauchte, was ich sagen wollte, die Ärztin habe ich schon gut verstehen können.
Dorle hat Erkältungsasthma. Das verwächst sich wohl irgendwann. Wir haben Medikamente zum Inhalieren bekommen und eine genaue Anleitung, was wir wann geben und tun sollen. Demnächst bekommen wir auch einen Termin für eine Nachuntersuchung. Wir sind sehr froh, jetzt zu wissen, warum sie nicht so ganz gesund geworden ist und was wir tun können, um ihr zu helfen. Nach ein paar Tagen geht es ihr nun viel besser. Heute Morgen hat mich unser kleiner Sonnenschein mit einem riesig großen zahnlosen Lachen begrüßt, da macht sich Dankbarkeit breit.
Die andere kleine große Sorge ist die Integration. Emma hat noch keinen Kindergartenplatz, das wird wahrscheinlich erst Mitte August etwas. Es ist alles neu für Emma und die Leute sprechen alle komisch, was sie nicht versteht, deshalb ist sie ziemlich verschüchtert und ängstlich, was ihr eigentlich gar nicht so ähnlich sieht. Ich habe den Eindruck, dass sie dringend Schwedisch sprechende Kinder braucht, mit denen sie spielt – und vor allem immer die gleichen Kinder, damit sie mit ihnen „warm werden“ kann. In der Zwischenzeit versuchen wir, ihr möglichst viel Sicherheit und Beistand zu geben.
Eine Sache, die ich aus Deutschland so nicht kenne, die es aber hier in Schweden gibt, ist die so genannte „familjcentral“. Die wurde mir schon in den ersten Tagen ans Herz gelegt, als ich die Frau der Kreisverwaltung mit Fragen gelöchert habe. Es handelt sich dabei um eine Einrichtung, die verschiedene Dinge anbietet: Einen offenen Kindergarten, in den alle kommen können, die wollen. Eine Beratungsstelle für werdende Eltern, einen Treffpunkt für Eltern, die in Elternzeit sind. An manchen Tagen kommen Sozialpädagogen und helfen bei Fragen, an anderen Tagen die Kinderkrankenschwestern der Gesundheitszentralen oder auch Hebammen.
Ich muss zugeben, dass ich mich zuerst nicht getraut habe, dorthin zu gehen. Einerseits, weil Dorle krank war, sowieso so viel anstand und zwei kleine Kinder nach einem Bandscheibenvorfall eine körperliche Herausforderung sein können und andererseits, weil ich mich nicht so ganz getraut habe. Ich habe nicht so richtig verstanden, was das Ganze ist und was uns da erwartet. Komisch, eigentlich habe ich grundsätzlich viel Mut, Neues auszuprobieren und habe das ja in anderen Ländern auch schon gemacht – immer ganz nach dem Motto: Einfach machen, mehr als schiefgehen kann es nicht. Und trotzdem brauchte dieser Schritt Überwindung…
Heute habe ich mir aber ein Herz gefasst und bin hingegangen. Und gut so. Es war eine total schöne Erfahrung. Die beiden Erzieherinnen waren so nett und eine Sozialpädagogin war auch da. Wir waren heute zuerst alleine, was aber gar nicht schlecht war, denn so konnte Emma die Räume erkunden und es war etwas gelassener. Später kam noch ein Vater mit seinem Sohn vorbei.
Es gab einen Bastelraum und zwei weitere große liebevoll eingerichtete Spielräume für Kinder von 0 bis 9 Jahren. In der Küche haben wir eine Kaffeepause („Fika“ – das wichtigste schwedische Wort) gemacht, bei der Emma und Dorle sich mit Waffel-Knäckebrot vollgestopft haben.

Emma hat noch viel gebastelt. Die Sozialpädagogin hat vorsichtige Annäherungsversuche unternommen und siehe da, Emma hat sogar zweimal darauf reagiert; obwohl es Schwedisch war. Diese Premiere hat mich sehr gefreut.
Ich konnte den Mitarbeiterinnen viele Fragen stellen. Auch hier erlebte ich eine große Freundlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft. Beim nächsten Besuch gehen sie mit mir zusammen in die daneben liegende Gesundheitszentrale, um die Kinder bei den Kinderuntersuchungen einzuschreiben. Bei Dorle wird das wohl monatlich gemacht (bis zum 1. Lebensjahr?) – inklusive einem Hausbesuch.
Am Ende der Zeit in der Familjcentral habe ich Emma gefragt, ob wir nochmal wiederkommen sollen. Die Antwort war ein in die Luft springend rufendes „Jaaaa!“.
Die beste Nachricht der letzten Woche
Franz hat seine Personennummer bekommen. Wie gut, einiges wird dadurch leichter, wie ich schon in einem vorigen Beitrag berichtete. Emma, Dorle und ich hatten allerdings noch keine. Auf Nachfragen hin und nach einem erneuten Ausflug nach Gislaved zum Servicecenter stellte sich heraus, dass wir sie nicht bekommen haben, weil die Kinder keinen regulären Reisepass mit Fingerabdrücken haben. Die Geburtsurkunden reichen wohl nicht aus und Emmas Kinderreisepass auch nicht. Hilfe. In Deutschland hatten wir extra noch nachgefragt und sogar schon biometrische Fotos der Kinder gemacht, aber uns wurde versichert, dass es kein Problem sei, weil es die EU ist und die Geburtsurkunden reichen. Naja, anscheinend nicht. Schade, wenn eine Fehlinformation solche weitreichenden Konsequenzen hat.
Bei der deutschen Botschaft in Stockholm gibt es 4-5 Monate Wartezeit zur Beantragung (!) eines Passes. Zum Glück können wir sie noch in Deutschland beantragen, doch auch das muss erstmal gemacht werden. Den Termin dazu haben wir, aber die ganze Thematik zieht sich doch sehr hin, was mich schon an den Rand der Verzweiflung getrieben hat.
Ich habe der Bearbeiterin unseres Falls dann noch eine Email geschrieben und erklärt, dass wir jetzt hier in Schweden bleiben wollen und dass wir die Nummern dringend brauchen, um alles machen zu können, um versichert zu sein, einen Kindergartenplatz zu bekommen, selbst für einen einfachen Handyvertrag.
Wir hatten uns schon damit abgefunden (abfinden müssen), dass dann eben alles so lange dauern würde – und dann: Alle drei Nummern im Briefkasten! Wahnsinn! Ich habe mich noch nie in meinem Leben so sehr über einen bürokratischen Brief gefreut. Offensichtlich hat meine Erklärung der Situation doch geholfen. Ein Glück.
Schwedisch lernen
Die Tage sind lang, aufregend und anstrengend. Abends macht sich eine körperliche und geistige Erschöpfung breit, durch die wir merken, was gerade alles passiert (ist). Manchmal muss ich etwas lachen und sage dann zu Franz: Hey, wir sitzen gerade in Schweden in unserem neuen Zuhause. Jetzt sind wir hier. Wow.
Wir haben schon vor längerer Zeit angefangen, Schwedisch mit einer App zu lernen, was uns hier sehr zugute kommt, denn es klappt schon echt gut mit der Sprache. Zumindest das Verstehen, Sprechen ist noch sehr holprig.
Wenn (oder manchmal falls) beide Kinder schlafen, nutzen wir die Zeit, um noch etwas Schwedisch zu lernen. Bei den Vokabelkarten mit den unregelmäßigen Verben fühle ich mich ein bisschen in die Schulzeit zurückversetzt.

Es macht sehr viel Freude, dann noch gezielt und strukturiert ans Sprache-Lernen heranzugehen. Das „Absorbieren“ im Alltag ist auch extrem wichtig und bringt uns weiter, aber es gehört eben auch eine gute Portion Fleiß mit dazu.
Diese Woche hat bei Franz das SFI angefangen, also „Schwedisch für Einwanderer“. Das ist übrigens für jeden umsonst. Hier in der Tranemo Kommun ist es so, dass zuerst ein Einführungskurs besucht wird. Dort treffen ganz unterschiedliche Menschen aufeinander mit ganz unterschiedlichen Bildungshintergründen. Anschließend findet eine Einteilung in das entsprechende „Niveau“ statt. Ich bin gespannt, wie es sich weiterhin entwickelt und beeindruckt, wie das Ganze abläuft. Ein klarer Pluspunkt für die Organisation und Integration hier in Schweden. Jeder bekommt übrigens auch noch ein eigenes Laptop und Zugänge zu verschiedenen Programmen, mit denen gelernt werden kann: Kurze Bücher in einfacher Sprache, Nachrichten, die man auf sein eigenes Sprachniveau einstellen kann, Hausaufgaben, Lektionen, Aussprachhilfsvideos, etc. – Ich bin beeindruckt.
Eigentlich würde ich den Kurs auch gerne besuchen; vor allem, weil es in Zukunft für die Arbeitssuche relevant sein wird, da viele Arbeitgeber ein Zertifikat davon gutheißen würden. Das ist momentan aber schwierig zu organisieren, weil ich ja mit Emma und Dorle beschäftigt bin und Franz voll mit der Arbeit und dem Kurs ausgelastet ist. Nächste Woche kann ich aber mit der Lehrerin sprechen; es gibt wohl auch gute Online- und Abendkursangebote – vielleicht ist da auch etwas zu machen.
Ganz abgesehen davon haben wir in der Gemeinde eine ehemalige Deutschlehrerin, deren Deutsch extrem gut ist. Sie ist eine Pädagogin durch und durch und hat angeboten, einmal in der Woche für eine Schwedisch-Nachhilfestunde bei uns vorbeizukommen. Was für eine Hilfsbereitschaft.
Schöne Erlebnisse der letzten Tage
In dieser Woche haben erst der Kinderchor aus Tranemo und dann der aus Limmared Auftritte gehabt. Es waren sozusagen Abschiede in die Sommerpause.
Ich habe es als absoluten Glücksmoment empfunden. Glückliche Kinder, die voller Freude aus voller Kehle zusammen gesungen und getanzt haben und unbeschwerte Gemeinschaft der Eltern und Besucher. Eine kleine Träne kam mir auch ob des Gefühls von „heiler Welt“.

Außerdem ist uns aufgefallen, mit welcher Entspannung das Ganze abgelaufen ist. Zuerst wurde zusammen gegrillt, Kaffee getrunken und gesprochen. Anschließend begann dann ohne strikten Zeitplan o.ä. der Auftritt der Kinder. Es ist hier in Schweden tatsächlich alles etwas entspannter, auch so ein unkompliziertes kleines Gemeindefest.
Ich bin ganz neugierig auf die schwedischen Elche gewesen. Nach ein paar Spaziergängen in der Dämmerung, die hier echt spät (oder echt früh) ist und nach ein paar Malen, die ich fast mit dem Fahrrad in den Graben gefahren wäre, weil ich angestrengt an die Waldränder schaue, habe ich Franz dazu verdonnert, dass wir in einen Elchpark fahren. Das zählt zwar nicht so ganz, weil sie eingesperrt sind, aber ich wollte endlich einmal Elche sehen. Solche schönen und beeindruckenden Tiere!
Die Leute hier vor Ort haben aber mehrfach gesagt, dass wir schon noch Elche in freier Wildbahn sehen werden, da es hier viele davon gibt. Manchmal kommen sie auch tagsüber heraus und da ist es gut, sehr aufmerksam Auto zu fahren. So einen Elch auf der Motorhaube möchte glaube ich keiner haben…




Vergangenen Sonntag sind wir mit dem Fahrrad nach Mossebo zum Gottesdienst gefahren; das sind so 16 Kilometer. Es war herrlichstes Wetter und ein wunderschöner Weg. Da fällt es schwer, nur ein paar Fotos auszuwählen.




Morgen spielt Franz seine erste Taufe, am Sonntag ist Konfirmation und noch eine Messe am Nachmittag in Sjötofta. Volles Programm mit Liturgie und Ablauf auf Schwedisch.
Außerdem bekommen wir heute Abend noch Besuch von unseren besten Freunden aus Deutschland, da freuen wir uns ganz besonders drauf. Alles zu zeigen und zu erzählen ist schon schön.
5 Kommentare
Sylvia · 6. Juni 2022 um 20:23
Liebe Grüße aus Meldorf!
Ich habe endlich mal wieder alle Berichte gelesen und ja, dass ist Schweden!!!
Wir sind seit 1996 regelmäßig in Schweden und genießen dort einfach alles und auch dieses Jahr werden wir im Sommer wieder in Schweden sein. Einfach nur Ruhe, Natur und Lesen – traumhaft, für uns ja Urlaub.
Liebe Grüße und ich freue mich auf weitere Eindrücke und Berichte!
Liebe Grüße
Steffi Spenn · 6. Juni 2022 um 21:20
Liebe Sylvia,
ja, es ist echt traumhaft hier und eine viel ruhigere Atmosphäre. Wohin fahrt ihr denn? Vielleicht nah genug, uns besuchen zu kommen?
Liebe Grüße!
Astrid Huhn · 22. Juni 2022 um 14:08
Liebe Familie Spenn! Ich freue mich sehr für Euch! Die Entscheidung nach Schweden zu ziehen war bestimmt nicht leicht und doch so richtig! Ich sehe tolle Eindrücke; schöne Familienzeiten! Ich wünsche weiterhin beste Erlebnisse und hoffe, daß wir es einmal schaffen, Euch zu besuchen! Vorerst viel Erfolg beim Schwedisch lernen und gutes Durchhaltevermögen, bei allem! Eure „Heider“ Astrid und Edgar, Eddi freut sich, als Pastor noch einmal mehr….
Steffi Spenn · 22. Juni 2022 um 16:45
Liebe Astrid und Eddi,
vielen Dank für eure lieben Wünsche. Sagt gerne Bescheid, wenn ihr nach Schweden kommt. Wir senden liebe Grüße in den „Süden“!
Edgar huhn · 22. Juni 2022 um 15:14
Liebe Familie Spenn! Aufregend schöne Fotos und sicherlich eine ganz prägende Zeit für Euch, als Familie! Wir freuen uns sehr über die Berichte und hoffen, daß wir es irgendwann einmal schaffen zu Euch zu kommen! Eddi freut sich besonders deswegen, weil er Erinnerungen an Ausflüge auf die Schwedische Insel Gotland hat. Viele, liebe Grüße von Astrid und Edgar